Anja FehlauAnja, was ist für dich Design Thinking?

Design Thinking ist nicht nur ein Prozess oder eine Vorgehensweise. Es ist ein Mindset. Wie gehen Leute an Problemstellungen heran? Beim Design Thinking steht am Anfang viel Recherche. Zuerst muss man das Problemfeld verstehen. Die große Frage ist immer: lösen wir überhaupt das richtige Problem? Kommt ein Kunde mit Anforderungen zu uns, werden diese nicht einfach so hingenommen. Jedes Projekt beginnt mit einer 360-Grad-Analyse: Welche Projekte und Teams im Unternehmen beschäftigen sich bereits mit der Problemstellung? Welche Wettbewerber, Trends, globale Bewegungen gibt es auf dem Markt? Was wollen die Endnutzer? Das Hinterfragen des Problems ist der Schlüssel zum Design Thinking.

Seit wann arbeitest du bei SAP?

Ich hatte grade mein zehnjähriges Jubiläum. Ich hatte mich direkt in das Team hinein beworben, das sich bei SAP mit Design Thinking beschäftigt. Und bin bei diesem Thema geblieben.

Wie hat sich die Idee zu Design Thinking innerhalb von SAP entwickelt?

Hasso Plattner, einer der Gründer des Unternehmens, hat den Design-Thinking-Ansatz zu SAP gebracht. Im Prinzip wollte er dahin zurück, wo SAP angefangen hat: nah am Kunden arbeiten und gemeinsam mit dem Kunden Lösungen entwickeln. Durch das Wachstum des Unternehmens und die Arbeitsteilung, die damit einherging, war der direkte Kontakt mit dem Kunden immer schwieriger geworden. Design Thinking hat Entwickler und Kunden wieder näher zusammengebracht.

Wie kam es zum großen Change-Prozess?

Der Change-Prozess bei SAP begann ganz klassisch mit einem kleinen Team. Zuerst waren wir nur 35 Leute, verteilt in Walldorf und Palo Alto. Wir haben an wenigen Projekten ausprobiert, wie wir Design Thinking anwenden und ins Unternehmen weiter tragen können. 2011 haben wir schließlich begonnen, die Prozesse und Methoden unternehmensweit zu skalieren. Die Transformation von einer sehr starken Technologiefokussierung hin zu mehr Designkultur hat viel Zeit gebraucht aber jetzt können wir die Früchte ernten.

Kannst du die Transformation noch ein bisschen konkreter beschreiben?

Darüber werde ich am 2. November auf jeden Fall noch ein paar mehr Worte verlieren. Deshalb jetzt nur ganz knapp. Der Wandel hat in den Köpfen stattgefunden. Die Kernfrage für jeden Mitarbeiter ist jetzt: Was macht eine Anwendung begehrenswert und nicht nur technisch möglich? Das ist ein großer Wandel im Denken, der immer noch in vollem Gange ist. Aber natürlich gab es Wachstumsschmerzen während des Prozesses. Es gibt immer Leute, die nicht an den Erfolg einer Maßnahme glauben.

Wie seid ihr der Skepsis begegnet? Welche konkreten Maßnahmen habt ihr getroffen?

Der Skepsis sind wir mit flächendeckenden Trainings begegnet. Mit Awareness Trainings, damit jeder mal davon gehört hat – im Kern aber mit praxisnahen Workshops unternehmensweit. Design Thinking ist auch heute noch immer wieder ein Clash mit der Realität. Es eignet sich nicht für jedes Projekt. Sobald für die Discovery-Phase keine Zeit eingeräumt wird, ist Design Thinking in der Praxis schwierig einzusetzen. Doch die Reise geht weiter: Wir müssen im Unternehmen weiter für Design und User Experience sensibilisieren. Jeder sollte ein Gefühl für Design entwickeln. Wir bilden unsere Mitarbeiter in Sketching-Techniken aus, es gibt „Design Eye Opener“-Kurse und Online-Kurse für Jedermann wie „Design for Non-Designers“. All das unterstützt die interdisziplinäre Arbeit zwischen Entwicklung, Design und Produktmanagement.

Wie kam die Transformation bei euren Kunden an?

Unsere Kunden haben die neuen Ansätze super angenommen. Der alte Ansatz war: Wir gehen zum Kunden und erzählen von unseren tollen Produkten. Wir fielen quasi mit der Tür ins Haus. Bei unserem neuen Ansatz gehen wir andere Wege. Wenn man mit etwas Rohem, beispielsweise einem Sketch oder einem Storyboard, zum Kunden kommt, fühlt er sich früher eingebunden und gehört. Er kann etwas dazu beitragen. Der Vertrieb adaptiert Methoden aus dem Design Thinking und steigt in eine tiefere Konversation mit dem Kunden ein. Durch Customer Journey Maps kann der Vertrieb den Kunden viel besser verstehen. Ein weiterer Vorteil: Der Kunde fühlt sich abgeholt und verstanden. Und mittlerweile kommt es sogar vor, dass Kunden uns ansprechen und lernen möchten, wie man Design Thinking anwendet.

Danke für das Gespräch, Anja. Wir freuen uns sehr auf deinen Vortrag am 2. November!